Vater und Sohn auf dem Kilimanjaro
Tansania 25.10.2010

Vater und Sohn auf dem Kilimanjaro

Mittlerweile sind 2 Monate vergangen, seit wir auf dem Kilimanjaro waren. Aber das Erlebnis wirkt nach: Es vergeht praktisch kaum ein Tag, an dem wir nicht daran denken, ganz oben gewesen zu sein! Und: wir würden wieder gehen. Als ich beim Bergwandern in Südtirol irgendwann auf den Gedanken kam, mal auf den Kilimanjaro vor meinem 50 Geburtstag zu kommen, begann ich auch schon im Internet zu recherchieren. Dabei traf ich auch auf die Seite von MOJA-Travel – gut gemacht, ansprechend, viele Angebote rund um Abenteuerurlaub und entsprechende Erfahrungsberichte, die recht vielversprechend klangen. Der Kontakt kam schnell zustande und jede Frage wurde per E-Mail schnell beantwortet.

Mein ältester Sohn – kurz vor seinem 18. Geburtstag- wollte unbedingt mit, während meine Frau mit unserem jüngsten auf Safari gehen wollte. Nach entsprechenden Angeboten von Moja buchten wir schließlich 6 Tage Kili-Expedition für mich bzw. 5 Tage Safari für meine Frau und anschließend sollte sich die ganze Familie auf Sansibar zum Entspannen treffen.

Die Planungen von Moja sahen einen Flug abends um 23.15 Uhr am 1. August 2010 von Frankfurt nach Adis-Abeba und von dort mit Zwischenstopp in Nairobi zum Kilimanjaro-Airport vor. Der Service mit Ethiopian-Airlines auf dem langen Flug war ausgezeichnet. Gegen Mittag trafen wir am Kilimanjaro-Airport auf unseren Fahrer, der uns ins gemeinsame Hotel nach Moshi brachte. Am späten Abend kam noch unser Chefguide Steven, der mit uns unsere Ausrüstung checkte, er befand alles für ausgezeichnet – ob wir mit Moja-Travel gebucht hätten...

Wie abgesprochen, wurden wir am nächsten Morgen abgeholt, die Trägermannschaft wurde zusammengestellt und nach ca. 3/4-Stunden und ein paar Einkäufen erreichten wir Marangu-Gate. Das Einchecken dauerte etwas länger, aber alles war vom Tour-Operator vorweg geplant, so dass wir keinerlei Mühe hatten. Unsere Ausrüstung wurde gewogen und schließlich auf 5 Träger verteilt, darunter der Koch sowie unser Chefguide mit seinem Assistenten.
Der Zeitraum Anfang August in der Trockenzeit war, wie ich meine, perfekt geplant. Keinen Tropfen Regen im „Regen“-wald und warme Sonne mit dunkelblauem, wolkenfreiem Himmel ab etwa 2500m. Nachmittags zogen aus der Ebene Wolken herauf, so dass wir zeitweise im dichten, gespenstischen Nebel wanderten, der irgendwie zur unwirklichen Umgebung gehörte. Manchmal fühlte man sich in einen Fantasy-Film versetzt, mit gigantischen Senezien, Heidekräutern und nur hier wachsende Pflanzen gemischt mit wahllos verteilten Felsbrocken - zusammen eine eindrucksvolle Atmosphäre. Auf unserer ersten Etappe durch den Regenwald trafen wir auf typische Baumarten, 3m hohe Baumfarne allerlei exotische Blumen und auf Bluemonkeys, die sich über uns in den Baumkronen nicht stören ließen. Nachmittags erreichten wir nach etwa 3 1/2 Stunden die Mandara-Huts, wo wir von Mantelaffen, die vertraulich und ohne Scheu um die Anlage liefen, empfangen wurden.
Bis zum Abendessen blieb noch ein wenig Zeit, so dass wir auf eigene Faust ohne Führer einen Abstecher zum nahegelegenen Maundi-Crater unternahmen. In seinem mit Gräsern und niedrigen Büschen bewachsenen Kessel erlebten wir eine unbeschreibliche Ruhe, kein Laut war zu hören – ein eindrucksvolles Erlebnis in der zunehmenden Dämmerung.

Der 2. Tag begann früh und nach dem Frühstück ging es zunächst durch den vom Morgentau noch leicht feuchten Wald, der aber bald von Sträuchern und Gräsern abgelöst wurde. Nach den nächtlichen Kopfschmerzen, die ich vor Anspannung hatte und die auch immer wiederkehrten, verlief dieser Tag in einer erstaunlichen Klarheit. Die fremde Umgebung war einfach zu faszinierend, so dass wir alle Eindrücke aufsogen und wirken ließen. Wie jeden Tag zogen Mittags Nebelschwaden durch, die die Umgebung noch unwirklicher erscheinen ließen, wobei es deutlich kühler wurde. Am späten Nachmittag erreichten wir bei strahlender Sonne die Horombo-Huts, unser Quartier für die nächsten 2 Tage, da wir hier auf 3800m Höhe einen Akklimatisierungstag einlegen wollten. Wie auch auf den Mandara-Huts gab es frei zugängliche Wasserkräne und Toiletten mit fließendem Wasser. Die Nationalparkverwaltung arbeitet sehr vorbildlich, was besonders der Natur zugutekommt. Wir fanden nirgendwo Müll oder andere Hinterlassenschaften der Zivilisation. Auch dieses Camp war gut gepflegt. Hier ging es sehr lebhaft zu, da sich die aufsteigenden Gruppen mit denen, die hier akklimatisieren und den vom Gipfel herab Kommenden treffen. Entsprechend voll besetzt waren die beiden großen Hütten, in denen wir die Mahlzeiten einnehmen sollten.
Dabei waren wir erstaunt über unseren Koch: was er abends vorbereitete und servieren ließ, war große Klasse. Jeden Tag eine andere Gemüsesuppe als Vorspeise, die allein schon exzellent war, danach als Hauptgang eine Fleischsoße mal mit Huhn, Rind oder Schweinefleisch mit Kartoffeln, Reis oder Nudeln – also schon an europäische Geschmäcker angepasst. Und von der Menge hätten auch 5 Personen satt werden können. Immer wieder wurden wir aufgefordert noch mehr Kalorien für die anstrengende Tour zu essen, aber über die Reste freuten sich wahrscheinlich unsere Träger.

Der Abend war wunderbar sternenklar und so dunkel, dass die Milchstraße hell leuchtete. Der Skorpion, in unseren Breiten nur teilweise über dem Horizont, stand genau im Zenit, daneben der Schütze mit dem Zentrum zur Galaxis und umgebende dunkle Staubwolken. Weiter im Westen fand sich das Kreuz des Südens und darüber der Centauer mit dem hellen Alpha-Centauri. Mit in unserer Hütte übernachtete ein Japaner, der sich auch für Astronomie interessierte und so begann ich mit einen kleinen Sternenführung, zu der sich weitere Interessierte gesellten. Ein tolles Erlebnis auf dieser Höhe.

In der Nacht hielten mich wieder starke Kopfschmerzen vom Schlaf ab, zum Glück aber zeigten sich keine weiteren Anzeichen der Höhenkrankheit. Am nächsten Tag unternahmen wir bei strahlendem Sonnenschein einen halbtägigen Ausflug zu den Zebra-Rocks, der Weg führte bis auf etwa 4200m Höhe, um dann wieder zum Camp abzusteigen, das wir am frühen Nachmittag erreichten. Diesmal zogen am Abend dicke Wolken durch, die leichten Nieselregen brachten.

Der nächste Morgen begann wie immer – ich trau es mich schon gar nicht mehr zu sagen – mit strahlendem Sonnenaufgang und tiefblauem Himmel. Von hier aus hatten wir immer einen direkten Blick zum Gipfel des Kilimanjaro, dessen Gletscher sich kontrastreich vom dunkleren Fels absetzten. Noch für uns unvorstellbar, dass wir morgen dort oben sein sollten, wenn alles gut ging. Gegen 9.00 Uhr brachen wir zur Kibo-Hut auf, die als Zwischenstation dienen sollte, bevor es noch vor Mitternacht auf die letzte Etappe des Aufstiegs ging. Ab etwa 4300m endete die letzte Vegetation, die mit ihren Riesen-Senezien immer wieder faszinierende Ansichten bot. Bisher gab es kaum steile Anstiege, auch bis zur nächsten Hütte blieb das Wandern angenehm und wenig anstrengend, einzig die dünner werdende Luft machte sich bei schnellen Bewegungen bemerkbar. Jetzt wanderten wir durch eine lebensfeindliche Geröllwüste, in der wenige Moose um ihr Überleben kämpften. Denkt man sich die einmal weg und färbt den Himmel rot ein, kann man sich wie auf dem Mars fühlen (vielleicht sind die Marslandesonden ja immer hier gelandet?). Für Belustigung sorgten die an den vorgesehenen Rastplätzen aufgestellten Toilettenhäuschen – fehlte nur „Gents“ oder „Woman“ als Türschild (moderne unsisex-Toiletten!).

Die Kibohütte liegt auf 4700m. Zunehmend merkten wir, wie bei schnelleren Bewegungen Kreislauf und Herzschlag in der dünneren Luft beschleunigten. Nach meinem Höhenmesser betrug der Luftdruck 580mbar, also etwa die Hälfte des Drucks auf Meereshöhe. Das uns bisher vom Guide ermahnende „Pole Pole“ war nun von alleine unsere Gangart, auch als wir uns in der Dämmerung zu einem kleinen Spaziergang um die Hütte entschlossen, wir gingen halt, wie man sich in Afrika grundsätzlich bewegt - sehr langsam. Das 8-er Zimmer belegten wir mit 4 anderen Wanderen, die wir seit dem Start in Marangu immer wieder getroffen hatten. Nach dem üppigen Abendessen, zu dem wir uns zwingen mussten – der Appetit ließ nach - sollten wir ruhen oder besser schlafen, was mir wieder einmal nicht gelang.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht wurden wir zu einem Nachtmahl bestehend aus Keksen und Tee gerufen. Trotz Winterausrüstung (wie zum Skifahren) war uns kalt in der Hütte und wir waren froh als es mit leichtem Gepäck (Getränke, Snacks...) und mit Kopflampen in die Dunkelheit hinaus ging, wo uns ein leuchtender Sternenhimmel empfing. Es war schwach windig mit einer gefühlten Temperatur von etwas unter 0°C - also optimal, wenn man andere Schilderungen ließt. Das letzte und steilste Wegstück zum Gilmans-Point war mit 5 Stunden Gehzeit ausgeschrieben. Wir hatten tags zuvor einen Blick darauf geworfen, ohne aber ermessen zu können, was da auf uns wartete: Stunde um Stunde verging, immer in kurzen Serpentinen über die Geröllpiste hinauf, nur die Füße des vorangehenden Guides im Lichtkegel der Kopflampe erkennbar – endlos. Pausen brachten nur wenig Erholung, die Kälte schien zuzunehmen und kroch den Rücken hinauf, sobald die Bewegung nachließ – also nur kurz was trinken und weiter. Gruppen die vor uns aufgebrochen waren, überholten wir und der Blick zurück zeigte eine Lichterschlange kleinerer Gruppen im Zickzack den Hang hinauf windend. Konditionsprobleme hatte ich bis hierher nicht, die wöchentlichen 10km-Läufe schienen sich auszuzahlen. Anders mein Sohn, der sich 7 Monate zuvor beim Handball einen Kreuzbandriss zugezogen hatte, litt und schien langsam an seine Grenze zu kommen. Nach der OP und der Reha war die Zeit für Muskelaufbau etwas knapp. Da er ansonsten keine Anzeichen für die Höhenkrankheit zeigte, biss er auf die Zähne und wir erreichten schließlich nach 5 Stunden Gilmans-Point noch im Dunklen. Hier spendierte ich eine Runde Red Bull (wegen der Energie), aber so etwas Scheußliches hatte ich zuvor noch nie getrunken – nie wieder!

Nach kurzer Rast erreichten wir etwas später Stella-Point. Kurz vorher wollte mein Sohn aufgeben. Nur durch gutes Zureden war er schließlich bereit weiterzugehen. Hätte er jetzt (oder vorher) erste Anzeichen der Höhenkrankheit geschildert, wir wären sofort wieder abgestiegen. Jetzt wurde es auch langsam heller, und nach etwa einer Stunde über ein relativ flaches Wegstück konnten wir voraus die Bretter ausmachen, die Afrikas höchsten Punkt markieren. Wir erreichten sie um genau 6.15 Uhr am 7. August 2010 – einem Samstag. Die Sonne ging über einem weißen Wolkenmeer auf, wir machten die obligatorischen Beweisfotos – es gab ein wenig Gedränge, auch die andern Gruppen waren nachgekommen. Seit wir etwa 5000m überschritten hatten, waren meine Empfindungen irgendwie gedämpft, schwer zu beschreiben, also so wie in Watte gepackt oder vielleicht auch so, als hätte man 3-4 Bier zu viel getrunken. Viele Fotos versuchte ich zu machen: die farbigen, vielschichtigen Gletscherwände, die vor uns aufragten, die Gletscher auf der andern Seite des Kraters im Kontrast zur fast schwarzen Vulkanasche, die unwirkliche Umgebung – Wahnsinn. Eines der schönsten Fotos gelang in Richtung Mount Meru, über den der Kilimanjaro seinen Schatten bis zum Horizont warf. Wiedereinmal hatten wir Glück: im Regenwald keinen Regen, in der Kibo-Wüste keinen Sandsturm und hier den roten Sonnenaufgang bei doch recht erträglichen Temperaturen. Nur Afrika selbst war in Wolken gepackt.

Hier oben erholt sich der Körper bei dem Sauerstoffmangel kaum, so blieb wenig Zeit zum Verweilen und nach etwa einer halben Stunde machten wir uns an auf den Abstieg. Den Geröllhang konnten wir geradeaus im Laufen nehmen und schon gegen 11.00 Uhr waren wir an der Kibo-Hut, wo sich nach und nach unsere Zimmergenossen einfanden. Jeder schien schweigend mit sich selbst beschäftigt, angespannt und erschöpft, so dass ich mich nicht traute, nach ihren Eindrücken zu fragen. Nach einer Stunde wirklichem ! Schlaf (nach fast 4 Tagen) brachen wir zur Horombo-Hut auf, die wir am Nachmittag erreichten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir etwa 14 Stunden Marsch seit unserem Aufbruch zum Gipfel hinter uns.

Diese Nacht war die erholsamste von allen, vom Hinlegen bis zum Wecken am anderen Morgen kam es mir der Schlaf wie tiefe Bewusstlosigkeit vor. Nach dem Frühstück sollte es über Mandara zurück zum Marangu-Gate gehen. Am frühen Nachmittag erreichten wir das Gate, checkten aus, wobei wir uns ins „Gipfelbuch“ mit Uhrzeit eintrugen. Schließlich bekamen unsere Träger ihre verdienten Trinkgelder, die sie schweigend entgegen nahmen. Ich nehme an, sie waren auch recht erschöpft. Zurück ging die Fahrt nach Moshi.

Wir aber hatten ein Glücks- oder Hochgefühl auf dem höchsten Punkt Afrikas gewesen zu sein – dem 5895m hohen Uhuru-Peak des Kilimajaro, dem höchsten Vulkan und einzeln stehendem Berg der Erde, alle Strapazen überstanden und mit reiner Willenskraft es in 4 Tagen herauf und in Zweien herunter geschafft zu haben. Ein einmaliges Erlebnis – vielleicht irgendwann noch einmal... Großen Dank an Moja-Travel!

Schließlich freuten wir uns auf ein Wiedersehen mit dem Rest der Familie auf Sansibar im Ocean Paradise. Dieses Hotel übertrifft noch seine Vorstellung im Internet – grandios – unbedingt buchen... Aber das ist eine andere Geschichte.


M. Schwab